ZUR OSTEOPATHIE


Was ist Osteopathie?

Leben ist Bewegung.
Die Osteopathie geht davon aus, dass ein bewegungseingeschränktes Gewebe im Körper letztlich auch in seiner Funktion eingeschränkt ist.
Oder umgekehrt. Ist die normale Funktion eines Systems im Körper gestört, kommt es dadurch zu einer Störung der Gewebestruktur. Der Fluss, die normale Bewegung ist gestört. Das kann viele gänzlich unterschiedliche Gründe haben. Der Osteopathie ist wichtig, dass sich eine Symptomatik dann nicht zwingend im Bereich der Störung befinden muss. Der Mensch ist eine Einheit. So kann sich eine äußernde Symptomatik, ein Schmerz oder eine Bewegungseinschränkung an ganz anderen Stellen des Körpers widerspiegeln.
Die Aufgabe der Osteopathie ist es, diese normalen und physiologischen Flüsse sowie Bewegungen wieder herzustellen. Dabei bedient sich die Osteopathie unter Berücksichtigung bester anatomischer und physiologischer Kenntnisse ausschließlich manueller Techniken. Die Suche richtet sich nach der Gesundheit, nicht nach der Krankheit. Das Ziel ist, den Fluss, die Selbstheilungskräfte wieder zu aktivieren.
Das macht die osteopathische Behandlung zu einer sanften Therapie.

ie Geschichte der Osteophatie

Beginn
Diese so faszinierende Behandlungsform haben wir im Wesentlichen
drei Männern zu verdanken. Sie haben mit ihrem Querdenken und der Lust auf Suche nach alternativen Behandlungsmethoden die Osteopathie zwischen der Mitte des 19. und der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt und kreiert.
Dabei ist an erster Stelle der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still als der Entdecker zu nennen. Er hat aufgrund seiner Erfahrungen, vieler Beobachtungen und Erforschungen der Natur eine neue Behandlungsmethode gesucht und die noch immer geltenden Prinzipien der Osteopathie beschrieben. Mit und nach ihm folgten der britische Physiologe John Martin Littlejohn und der Amerikaner William Garner Sutherland.
Stills Handeln war stark durch seine Erziehung geprägt. Sein Vater war Prediger, aber wohl kein angepasster. Zwar wuchs Still im Denken und Handeln des christlichen Glaubens auf, dennoch war er offen für kritische Auseinandersetzungen mit den etablierten Denkmodellen.

Entwicklung
Die Osteopathie ist eine 150 Jahre alte Behandlungstechnik und wurde in
den ersten 30 Jahren nach der Entdeckung Andrew Taylor Stills in der Form, wie wir sie heute kennen, entwickelt. Von Beginn an gab es viele Widerstände zu überwinden, teilweise haben sich die Argumentationen gegen die
Osteopathie bis heute nicht geändert.
Das hat sicher viele Gründe und Ursachen. Doch trotz der Kritik gewann und gewinnt die Osteopathie einen großen Zulauf. Sie nimmt sich in der Behandlung Zeit und geht auf die Suche. Dabei bedient sich der Osteopath bester anatomischer und physiologischer Kenntnisse und verlässt sich auf seine palpatorischen Fertigkeiten. So gab es eine stetige Entwicklung der Akzeptanz der Patienten. In einigen Ländern ist die Osteopathie als eigenständiger Beruf anerkannt, in Deutschland nach wie vor nicht.
(Mit Ausnahme Hessens, wo es den Osteopathen per Gesetz als Beruf gibt). Dennoch, seit Januar 2012 unterstützen viele Krankenkassen osteopathische Behandlungen anteilig. Ein weiterer Schritt für die Osteopathie. Das LCOM ist Mitglied im Dachverband der in Deutschland führenden Osteopathie-Verbände und -Schulen. Im Verbund versuchen wir der Osteopathie den Stellenwert zu verleihen, der ihnen gebührt.

Andrew Taylor Still

Andrew Taylor Still (1828 – 1917) ist der Entdecker, besser: Entwickler der Osteopathie. Als Sohn eines Predigers und Arztes erlebte er zunächst eine
sehr religiöse Erziehung. Später erhielt er von seinem Vater die Ausbildung
zum Mediziner. Bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges in den USA praktizierte er einige Jahre als niedergelassener Arzt. Freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet behandelte er als Chirurg viele Verwundete. Die in dieser Zeit gesammelten Eindrücke und Erfahrungen ließen ihn nicht mehr los. Zudem kamen große persönliche Schicksalsschläge hinzu. Seine erste Frau starb bei der Geburt des sechsten Kindes, von seinen insgesamt 12 Kindern überlebten gerade einmal fünf. Verzweifelt über die beschränkten medizinischen Möglichkeiten der Zeit, begann Still nach einer neuen Medizin zu suchen.

Der Natur hatte Still schon als Kind eine sehr große Aufmerksamkeit gewidmet. Später schrieb er: “Bevor ich je Anatomiebücher studierte, hatte ich mein Wissen aus dem großen Buch der Natur perfektioniert“. Er blieb der Natur fortwährend treu. Populäre Philosophien als auch die Auseinandersetzung mit Glaubensfragen und Religionen anderer Bevölkerungsgruppen begleiteten sein autodidaktisches Studium über viele Jahre hinweg. Stills Glaube an die Vollkommenheit der Natur fasste schon sein ganzes Leben Fuß. Sein Credo: Wenn die Natur vollkommen ist, dann kann das der Mensch nicht minder sein. Die Suche nach der neuen Medizin war damit von Beginn an eine Suche nach der Unvollkommenheit des Menschen. Die in dieser Zeit gesammelten Eindrücke und Erfahrungen ließen ihn nicht mehr los. Nach einem Jahrzehnt großer menschlicher und persönlicher Tragödien Mitte des 18. Jahrhunderts widmete sich Still verstärkt der Suche nach einer Alternativbehandlung gegenüber der klassischen Medizin. Er begegnete der populären Phrenologie und dem Mesmerismus und war geprägt durch zu der
Zeit aufstrebende Philosophen und Naturforscher wie Darwin oder Spencer.
Sein Glaube an Gott und die Vollkommenheit der Dinge wurde weiter gefestigt. Krankheit entsteht eher durch einen Wechsel der Funktionen als durch Manipulationen von außen.

Zu der Zeit arbeitete Still als Chirurg in Kansas. Medikamente konnten nichts ausrichten. Das trieb ihn dazu, nach einer neuen Medizin zu suchen.
Eine ganzheitliche Methode, bei der das Zusammenwirken aller Körpersysteme berücksichtigt wird. Er entwarf ein Konzept, bei dem das myo-faszio-skelettale System als Stützgewebe im Zusammenhang mit allen Organsystemen im Vordergrund steht. Dabei ging er von den Naturgesetzen der gegenseitigen Abhängigkeit und der Interaktion zwischen den verschiedenen Systemen aus:
Der Mensch funktioniert als Einheit. 1874 gibt Still seiner neuen „Medizin“,
die nicht Symptome, sondern Ursachen bekämpft, einen Namen: Osteopathie.

John Martin Littlejohn

Anfangsjahre
Nachdem er sich von Still behandeln ließ, und so von einer langjährigen Krankheit befreit wurde, trat er gleich in die American School of Osteopathy (ASO) ein, um begeistert diese Kunst zu lernen. Aufgrund seiner hervorragenden Physiologiekenntnisse begann Littlejohn seine Osteopathie Lehrtätigkeit 1898 bereits ein Jahr vor Beginn seiner eigenen Ausbildung zum Osteopathen. Als glänzender Intellekt mit Abschlüssen in Theologie, Philosophie, Jura, Soziologie und Medizin war er der richtige Mann, der ASO eine wissenschaftlich orientierte Struktur zu geben, um anhand von Studien die empirisch gewonnenen Thesen zu überprüfen und in nachvollziehbare Konzepte zu bringen. Die gesamte manuelle Medizin in der heute bekannten Form wurde von ihm in ihrer Biomechanik beschrieben.
Auch die Bedeutung des freien Flusses des Hirnliquors für die Gesundheit des Organismus ist schon bei ihm zu finden. Sicher hatte er einige inspirierende Gespräche mit seinem Klassenkameraden William Garner Sutherland, dem späteren Begründer des Craniosacralen Konzepts in der Osteopathie. Dieser überarbeitete einige Texte Littlejohns, wozu er aufgrund seines journalistischen Vorlebens besonders geeignet war. Leider verstärkte sich die Unfähigkeit, die Physiologie und Anatomie als zusammenhängende Einheit zu betrachten, innerhalb der ASO derart, dass Little John letztendlich die Schule verließ, und in Chicago das „Chicago College of Osteopathy“ gemeinsam mit seinen Brüdern gründete. Damals hieß es, dass mit dem Weggang Littlejohns das Hirn die ASO verlassen habe. Trotz des Gegenwindes der orthodoxen Osteopathie Gemeinde erfreute sich die Schule regen Zulaufs und entwickelte unbeirrt eine physiologisch orientierte Ausrichtung dieser Heilkunst. 1910 verlässt Litteljohn die USA und gründet 1917, dem Todesjahres Stills, die British School of Osteopathy (BSO) in London, die noch heute existiert.

Still brachte mit seiner romantischen Sprache, mit Metaphern durchsetzt, die Osteopathie zur Welt. Little John übersetzte sie in eine klare wissenschaftliche Struktur und gab ihr mit zahlreichen klinischen Beispielen eine nachvollziehbare Relevanz. Für Still war die Grundlage allen osteopathischen Handelns die Anatomie. Littlejohns Ansatz war dynamischer. Durch seine Betonung auf die Physiologie stellte er das Prozesshafte in den Vordergrund, was der Osteopathie deutlich mehr Dynamik verlieh, es aus wissenschaftlicher Sicht nachvollziehbar machte.
Littlejohn hat Stills visionäre osteopathische Philosophie aus der Wildnis geholt und wissenschaftlich hoffähig gemacht (C. Hartmann, Sillkompendium).

Prinzipien

Die wichtigsten Prinzipen der Osteopathie sind folgende:
Der Körper ist eine biologische Einheit
Die reziproke Wechselbeziehung zwischen
Funktion und Struktur
Der Körper besitzt selbstregulierende
Mechanismen
Wenn die Anpassungsfähigkeit
überschritten ist, beginnt die Erkrankung
Die Zirkulation der Körperflüssigkeiten
ist essenziell wichtig für die Gesundheit.

Der Körper ist eine biologische Einheit

Alle Körpergewebe und Systeme sind auf anatomischer und physiologischer Ebene miteinander verknüpft. Veränderungen in einem Gewebe des Körpers können vielfältige Auswirkungen sowohl lokaler, als auch systemischer Art nach sich ziehen. Eine akute Erkrankung kann in einem völlig anderen Teil des Körpers als dem des Symptoms seine Ursache haben. So kann ein Inversionstrauma mit anschließenden statischen Kompensationen zu Kopfschmerzen und akuten Zervikalbeschwerden führen.

Die reziproke Wechselbeziehung zwischen Funktion und Struktur

Die Struktur lenkt die Funktion und die Funktion formt die Struktur. Körperstrukturen (Muskeln, Ligamente, Gelenke, Organe, …) und Körperfunktionen (Koordination, Durchblutung, …) beeinflussen sich ständig gegenseitig. So kann eine mechanische Fehlbelastung (Funktion) zu Kalkeinlagerungen in einer Sehne (Struktur) und somit z.B. zu einem Fersensporn oder zu einem M. Supraspinatussyndrom führen.

Wenn die Anpassungsfähigkeit überschritten ist, beginnt die Erkrankung

Das Entstehen von Krankheiten ist abhängig von den Abwehrkräften des Organismus und der Stärke der negativen Einflüsse. Stressreize (mechanisch, chemisch, bakteriell, psychisch, usw.) verarbeitet der Körper über Kompensationsmechanismen. Ab einen bestimmten Grad der Anpassung an verschiedene krankmachende Einflüsse ist der Organismus so geschwächt, dass selbst kleine Auslöser zu großen Problemen führen können.

Die Zirkulation der Körperflüssigkeiten ist essenziell wichtig für die Gesundheit

Eine gute Versorgung des Gewebes mit Nährstoffen sowie der gewährleistete Abtransport von Stoffwechselendprodukten aus dem Gewebe über das venöse und das lymphatische System sind Grundlage jeder Heilung und Selbstregulation.

Teilgebiete

Die Osteopathie lässt sich zwar in die folgenden Teilgebiete einteilen, doch die Zusammenbetrachtung dieser Bereiche im ganzheitlichen Sinne muss immer gewährleistet sein. Denn untersucht und behandelt werden immer
alle Teilaspekte als Gesamtheit.

Parietale Osteopathie
Die parietale Osteopathie beschäftigt sich mit der
Untersuchung und Behandlung des Bewegungsapparates. Bewegungsapparates. Hierzu gehören Knochen, Bänder, Gelenke, Muskeln und Faszien. Sie können entweder durch den weiterlaufenden Einfluss von anderen Strukturen oder direkt durch eine Verletzung geschädigt werden.
Diese so genannten Dysfunktionen sorgen für vermehrte
Spannung. Nicht nur am Ort des Geschehens, sondern auch weiterlaufend. Andrew Taylor Still war der Meinung, dass diese Spannungen auch Probleme in
der arteriellen Versorgung und der venösen Entsorgung aller zugehörigen Gebiete verursachen.
Die Osteopathie behandelt diese Dysfunktionen und sorgt dafür, dass durch ein Gleichgewicht innerhalb der Gelenke und der Muskulatur der gesamte Bewegungsapparat wieder gut funktionieren kann.

Viszerale Osteopathie
Die viszerale Osteopathie beschäftigt sich mit den inneren Organen, den Blutgefäßen, Lymphbahnen und dem dazugehörigen Bindegewebe. Die inneren Organe bewegen sich unwillkürlich bei jeder Rumpfbewegung und mit jedem Atemzug.
Funktionsstörungen entstehen durch altersbedingte Organsenkung, Operationsnarben und Entzündungen, aber auch durch falsche Ernährung. Diese Störungen zeigen sich in Bewegungseinschränkungen, die der Osteopath erkennen und behandeln kann.
Die inneren Organe hängen nicht frei in der Bauchhöhle, sondern gehen über Anheftungs- und Berührungspunkte Verbindungen ein mit anderen Organen oder dem Skelettsystem. Die Anhängepunkte des Darmes befinden sich zum Beispiel an der Lendenwirbelsäule und die Aufhängung der Gebärmutter an Kreuzbein
und Beckenschaufel.

Cranio-Sacrale Osteopathie
Das zentrale Nervensystem wird vom Schädel, der Wirbelsäule und vom Becken mit seinen membranösen Häuten umgeben. Diese Teile bilden eine Einheit und werden als das cranio-sakrale System zusammengefasst. Auch alle anderen Teile des Körpers stehen direkt oder indirekt mit diesem System in Verbindung und werden von ihm beeinflusst.
Dem cranio-sacralen System liegt eine Dynamik bzw. eine Bewegung zugrunde, die der Osteopath für die Untersuchung und Behandlung nutzt.
Die Bewegungen des Schädels sind nachgewiesen worden. Ein Erklärungsmodell dafür ist der Primäre Respirationsmechanismus (zyklische Neubildung, Austausch und Bewegung von Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit).
Jede Verletzung und jeder Unfall kann dieses System irritieren und somit aus dem Gleichgewicht bringen. Dadurch kann der Organismus in seiner Gesamtheit gestört werden, da das cranielle System mit allem in Verbindung steht, und darüber hinaus alles kontrolliert und steuert.
Andererseits kann der Osteopath über die Behandlung dieses Systems großen Einfluss auf den gesamten Körper und seine Steuerungsmechanismen ausüben, um so die Selbstheilungskräfte des Menschen zu unterstützen.